In Deutschland leisten rund 17 Millionen Menschen freiwillige Arbeit – und füllen damit Lücken, die längst systemrelevant geworden sind. Sie löschen Brände, betreuen Verletzte oder versorgen Menschen in Katastrophenlagen. Kostenlos, oft nachts, bei Wind und Wetter. Doch wer schützt eigentlich sie? In einer Gesellschaft, die auf Ehrenamt baut, stellt sich eine unbequeme Frage: Reicht Dankbarkeit aus – oder braucht Engagement endlich echte Unterstützung? Während Politik und Öffentlichkeit klatschen, geraten viele Helfer selbst an ihre Belastungsgrenzen. Und das bleibt nicht ohne Folgen.
Wenn der Idealismus allein nicht mehr reicht
Freiwillige Helfer gehören zu den tragenden Säulen unserer Gesellschaft. Ohne sie würde kein Festival abgesichert, kein Sturmgebiet evakuiert, keine ländliche Feuerwehr ausrücken. Ihre Einsatzbereitschaft beeindruckt – doch sie hat Grenzen. In vielen Organisationen herrscht chronischer Mangel an Nachwuchs, Ausrüstung und Zeit. Die Wertschätzung? Häufig auf Worte beschränkt.
Immer öfter berichten Ehrenamtliche davon, dass sie sich allein gelassen fühlen. Ein funktionierendes Rettungssystem braucht aber mehr als Idealismus. Es braucht Verlässlichkeit, Planbarkeit – und Schutz. Nicht nur körperlich, sondern auch mental. Gerade bei Rettungseinsätzen ist die Belastung enorm. Wer durch Trümmer klettert oder bei Dunkelheit Erste Hilfe leistet, muss sich auf seine Ausrüstung verlassen können. Dazu zählt auch professionelle Rettungsdienstbekleidung, die im Notfall Leben schützt und zugleich praktische Funktionen erfüllt.
Applaus heilt keine Erschöpfung
Öffentliche Dankbarkeit kann motivieren – aber sie ersetzt keine Pausen. Gerade nach extremen Einsätzen fehlt es vielen Ehrenamtlichen an professioneller Nachsorge. Gespräche über das Erlebte finden kaum statt, psychologische Betreuung ist oft gar nicht vorgesehen. Dabei werden Freiwillige mit Situationen konfrontiert, die auch ausgebildete Fachkräfte an ihre Grenzen bringen: Der Anblick von schwer verletzten Kindern. Die stille Verzweiflung hinter einem tödlichen Unfall. Das leere Gesicht eines Angehörigen, der gerade alles verloren hat.
Im Gegensatz zu hauptamtlichen Kräften sind Ehrenamtliche häufig nicht ausreichend geschult, um solche Eindrücke langfristig zu verarbeiten. Nach dem Einsatz fahren sie nach Hause, versuchen zur Normalität zurückzukehren – doch der Kopf dreht weiter. Viele berichten von Schlafstörungen, Nervosität, innerer Unruhe. Am nächsten Morgen sitzen sie wieder im Büro, in der Schule, im Außendienst. Funktionieren. Weitermachen. Bis es nicht mehr geht.
Wie wir Helfer schützen können
Ein erster Schritt wäre, strukturierte Einsatznachbesprechungen verpflichtend einzuführen – nicht als formale Pflichtübung, sondern als geschützter Raum. Hier kann das Team gemeinsam reflektieren, Gefühle benennen, Fragen stellen. Wichtig ist, dass diese Gespräche von speziell geschulten Moderatoren begleitet werden, die nicht selbst Teil des Einsatzes waren.
Darüber hinaus braucht es niedrigschwellige psychologische Anlaufstellen, die rund um die Uhr erreichbar sind – idealerweise mit Ehrenamtsbezug. Der Zugang zu Krisenintervention sollte genauso selbstverständlich sein wie der Griff zur Wasserflasche im Einsatzfahrzeug.
Auch regelmäßige Psychohygiene-Seminare könnten helfen, präventiv zu wirken: Wie erkenne ich Überlastung? Wie grenze ich mich emotional ab, ohne gleichgültig zu werden? Wie finde ich nach einem belastenden Einsatz wieder in meine Balance?
Zwischen Bürokratie und Einsatz
Eigentlich wollen sie helfen. Leben retten, Menschen versorgen, vor Ort sein, wenn es brennt – im wahrsten Sinne des Wortes. Doch bevor Ehrenamtliche überhaupt zur eigentlichen Aufgabe kommen, türmen sich Aktenberge, digitale Anträge und formale Vorgaben. Wer sich freiwillig engagiert, verbringt nicht selten mehr Zeit am Schreibtisch als im Einsatzfahrzeug.
Stundenlange Abrechnung von Fahrtkosten, händisch geführte Dienstpläne, doppelte Unterschriften auf Papieranträgen – viele Prozesse wirken wie aus der Zeit gefallen. Schulungsnachweise müssen eingescannt, Formulare nachgereicht, Einsatzstatistiken manuell geführt werden. Selbst die Kommunikation läuft oft noch über private Messenger-Gruppen oder Telefonlisten, weil moderne Software fehlt.
Warum Bürokratie Ehrenamt ausbremst
Gerade junge Menschen, die sich engagieren wollen, sind dadurch schnell frustriert. Sie kennen effiziente Tools aus Studium oder Arbeitswelt – und verstehen nicht, warum Rettungsdienste oder Hilfsorganisationen noch mit Excel-Listen arbeiten. Was gut gemeint ist, wird so zur Hürde. Helfen ja – aber nicht um den Preis von Frust und Dauerverwaltung.
Das Problem liegt nicht nur in veralteten Systemen, sondern oft auch in den fehlenden Ressourcen: Wer betreut die IT? Wer übernimmt die Schulung neuer Tools? Wer finanziert die passende Software? Viele Organisationen scheitern schon am ersten Schritt, weil Budgets fehlen oder technisches Know-how nicht vorhanden ist.
So könnte es besser laufen
Es braucht dringend professionalisierte Strukturen, die das Ehrenamt entlasten: zentrale Plattformen für Kommunikation, digitale Schulungsdatenbanken, automatisierte Abrechnungssysteme. Schon einfache Tools wie Einsatz-Apps oder cloudbasierte Schichtpläne könnten den Alltag spürbar erleichtern.
Wichtig dabei: Lösungen dürfen nicht nur „von oben“ gedacht werden. Ehrenamtliche müssen in die Entwicklung eingebunden werden – denn sie wissen am besten, wo die Probleme liegen.
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